Stephanie Schnellmann machte sich auf den Weg nach ihrem persönlichen Glück und erzählte mir von ihrer Reise.

Was ist glücklich sein? Wenn man sein neues iPhone zum ersten Mal in den Händen hält? Wenn man den ersten Bissen der besten Pizza der Stadt nimmt? Oder wenn man nach Jahren auf der Strasse unter Drogen endlich ein Zuhause hat?

Keiner lächelt
Nach einem aufrüttelnden Jahr in der Drogenszene von Kolumbien lernt Stephanie ihre Wünsche und Träume besser kennen. Nein, sie war nicht die mit der Spritze und dem Crack, sondern sie war die, die in der Rehab den Ex-Junkies geholfen hat. «Ich habe in Bogota Sachen gesehen, die niemand sehen sollte», sagt sie. Trotz der traurigen Schicksale und Grausamkeiten des Strassenlebens verliebte sie sich in das Land und bewunderte ihre Bewohner. «Ein Junge, 14 Jahre alt, ohne Eltern, verliert seinen Bruder auf der Strasse und begrüsst mich am nächsten Tag mit einem aufrichtigen Lächeln auf dem Gesicht. Das hat mich umgehauen.» Die Arbeit und das Leben war ein Kulturschock für Steph. Aber kein negativer, im Gegenteil. «In der Schweiz bringen die wenigsten auch nur ein Lächeln zu Stande und schau mal was wir alles haben!» Sie merkte, dass man zum Glücklichsein nicht viel braucht. Es sollte aber noch 1 ½ Jahren gehen, bis sie sich fix entschliesst, alles hinter sich zu lassen.

International Women's Day
Eine Surf Session am International Women’s Day. Zu hinterst: Florence, Stephanie ist die blondeste von allen Ladies.

Meeresanziehung
Wasser hatte Steph schon immer angezogen. Sogar so fest, dass ihre Eltern sie in der Nähe von Wasser als Kleinkind an einer Leine führen mussten. Ihr erstes Surferlebnis hatte sie vor ihrem Kolumbienaufenthalt in Puerto Rico. Schon nach der ersten Lektion wusste sie, dass dies nun ein Teil ihres Lebens werden wird. «Wenn man die erste Welle nimmt und steht… Dieses Gefühl!» In Kolumbien kam sie leider nicht so oft zum Surfen, da sie einerseits viel am Arbeiten war und andererseits die Wellen in der Nähe von Bogota schwer zu erreichen waren. In der Schweiz versuchte sie, ihre Surflust mit Wakesurfen und Snowboarden zu stillen. «Wenn man landlocked lebt, dann beginnt man beim Surfen immer wieder bei 0.» Irgendwann hatte sie die Nase voll. Nach dem Wakeup Call in Kolumbien, 1 ½ Jahren Wakesurfen und ab und zu Ferien beschloss Steph, zu kündigen und sich in der Schweiz abzumelden. Es zog sie wieder nach Südamerika. Und vor allem zog es sie ans Meer.

Auf Gottes Weg
Einen Plan hatte sie nicht. Einfach mal los und es kommt schon so, wie es soll. «Gott plant für mich», antwortet Steph als ich nochmals nach konkreten Plänen oder Wünsche frage. «Ich habe Vertrauen in ihn.» Als erstes verschlug es sie nach Nicaragua. Nicht etwa nur wegen dem Meer und den Wellen, sondern um wieder Hilfe zu leisten. Ursprünglich sollte sie nur in einem Hostel volontieren, doch dann ereigneten sich gewaltige Überschwemmungen. Sie nahm daher Unmengen von Kleidern aus der Schweiz mit und entschied sich, den Überschwemmungsopfern zu helfen. Von Zentralamerika reiste sie dann weiter nach Peru und kaufte sich einen Van. Mit dem alten Klapperkasten fuhr sie bis nach Montañita in Ecuador. Dort nahm ihr Weg nach einer 8-monatigen Reise eine Wendung. «Ich hatte gar keine Lust auf Männer. Aber der Surfcoach, der mit seinem jungen Schüler am Strand Abfall-Aufsammeln mit einer Aufwärm-Übung verband, fiel mir rasch auf.» Der Bruder dieses Surflehrers arbeitete zufälligerweise mit Steph im gleichen Hostel. Nach intensivem Überreden meldete sich Steph schliesslich beim Surfer und ab da ging es schnell. Der venezolanische Pro-Surfer namens Rugby und die Schweizer Wassernixe verliebten sich, zogen nach einer Woche zusammen und sind mittlerweile nach über zwei Jahren Beziehung verlobt. Gottes Wege sind unergründlich, aber die zwei sind dankbar, haben sie sich gefunden.

Rugby und Stephanie im Meer
Mit der Liebe ihres Lebens im Meer: Rugby und Stephanie.

Vom Kontostand und Glücklichsein
Die Monate in Ecuador verstrichen und ein Boarder-Run für den Van wurde fällig. An der Grenze stellte sich aber heraus, dass die peruanische Zulassung auf ihren Namen nicht mehr gültig war, da sie keine Peruanerin ist. Also verabschiedete sie sich von ihrem Van und liess ihn konfiszieren. Ihr Leben war jetzt aber ohnehin in Ecuador, genauer gesagt in Olón, dem Nachbarstädtchen von Montañita. Zu Beginn schlug sie sich mit Freiwilligenarbeit durch, irgendwann musste sie auf kleine Jobs umsatteln. Mittlerweile arbeitet sie als Freelancer für eine Online-Sprachschule. «Mein Kontostand sah noch nie so beschissen aus, aber zum Leben reichts.» Steph liebt es, so nahe an der Natur zu sein, jeden Tag im Wasser. Beim Surfen sieht man Wale, Schildkröte, Rochen und so viele Fische. Die grünen Wälder und die Berge sind auch nicht weit und es hat fast immer Wellen. «Materielles gibt mir nichts. Ich will ein tieferes Glücklichsein.» Und das hat sie auch gefunden. «Ich bin so glücklich wie noch nie.» Steph begegnet allen stets mit einem Lächeln, mit viel positiver Energie und einer unglaublichen Wärme. So sieht für mich ein glücklicher Mensch aus.

Stephanies Van
Stephanies Van, der leider konfisziert wurde.

Was kann dir mit einem Schweizer Pass schon passieren?
Steph belächelt die Leute, die sie als mutig bezeichnen, weil sie von der Schweiz weggegangen ist in ein Leben mit einem ungewissen Kontostand. «Das hat nichts mit Mut zu tun. Rugbys Neffe ist mit 19 von Venezuela nach Peru ohne Geld. Das ist wohl eher mutig. Wir beobachten Krabben den ganzen Tag und schliessen Wetten ab, welcher Gecko die Fliege zuerst kriegt.» Wir Schweizer werden immer Möglichkeiten haben nach Europa zurückzukehren und einen Job zu finden. Zusätzlich hat Steph eine liebevolle und unterstützende Familie, die sie immer aufnehmen würde. «Was kann dir mit einem Schweizer Pass schon passieren?» Auf meine Frage, was sie an der Schweiz neben Freunde und Familie vermisse, antwortet sie: «Türklinken, Lichtschalter und Schoggi. Und versteh mich bitte nicht falsch, ich liebe die Schweiz, wenn sie ein Meer hätte, wäre ich wahrscheinlich geblieben. Ich brauche einfach Wellen, Tiere, Fische und Natur.» Von Steph möchte ich natürlich unbedingt einen Tipp haben. Diese Frau haut einen ja um mit ihrer sprühenden Lebensenergie. «Träume umsetzten, das wichtigste ist, glücklich zu sein. Man muss nichts, später bereut man eher, was man nicht gemacht hat, als dass man seine Fehler bereut.» Dazu kann ich nur Amen sagen und ich wünsche Steph nur das Beste auf ihrem weiteren Weg!

Florence mit Stephanie
Florence und Stephanie – unübersehbar, zwei Seelen, die sich gefunden haben.

Steckbrief zu Stephanie Schnellmann

  • Stance: Goofy
  • Board: 5’10 Swallow Tail
  • Lieblingsspot: Bermejo, Peru
  • Lieblingsland zum Surfen: Puerto Rico
  • Bester Surf: Olón, Ecuador
  • Lebensziel: Ängste überwinden

Fins Passion: Gemeinsam mit Rugby betreibt Steph das «Erlebnis» Fins Passion, mit welchem sie Menschen von überall auf der Welt dazu einladen, gemeinsam mit ihnen in Olón zu surfen, zu speerfischen und das Leben zu geniessen. «Surf Training und persönliche Ziele erreichen, steht bei uns an oberster Stelle. Mit all unseren Aktivitäten ist garantiert, dass du die volle Dosis Salzwasser bekommst.» Alle Gäste werden gleich in die Familie integriert und bis jetzt sind auch alle als gute Freunde wieder gegangen. «Unser Ziel ist es, die Leidenschaft zum Meer mit anderen Menschen zu teilen».