Ich lese meinen Lieblingsblog, blättere, scrolle und stosse auf einen Video-Artikel – wieder einmal hat Derek Rielly vom Beach-Grit-Blog mit seiner Video-Auswahl eine emotionale Seite in mir zum Schwingen gebracht, danke Rielly!

Artikel Beach Grit
Link: https://beachgrit.com

«Ich war immer schüchtern, ich fühlte mich immer anders; ich habe mich nie wohl gefühlt, bis ich angefangen habe zu surfen.» Dieses Zitat stammt aus dem gemeinten Kurzfilm, den du im Artikel bewundern kannst. Mein elfjähriges Ich fühlte sich berührt, welches als einziger Dortmund-Fan von Bayern-Fans verprügelt mit seinem Skateboard in der Tiefgarage Freunde und Sinn zu finden dachte.

Was kann Surfen heute von diesem Spirit sein? Fände der Protagonist des Films heute denselben Neuanfang? Sagen wir Ja und sorgen dafür, dass es so bleibt. Es folgen ein paar hypothetische Fragen, die ausserhalb der reinen Tätigkeit des Paddelns, Aufstehens und Gleitens den Rest des Drumherums einmal beleuchten – und was DU damit zu tun haben könntest.

«Unsere» Identität: Wo hört die Zugehörigkeit der Surfer auf, wann und wo fängt sie an?
Diese Frage stellt sich persönlich zuerst und dann vielleicht auch für Schweizer Surfer, europäische Surfer und Surfen als Teil von Kulturen und der medialen Subkultur auf dem Globus. Nähmen wir an, der Grad an Leidenschaft, Drang, Liebe oder auch Ehrgeiz für/zum Wellenreiten wäre eine Art seltsam anmutender Masstab für dein Surfer-Dasein. Je mehr du es liebst, desto mehr bist du Surfer. Geht das? In diesem Fall hast du von Anfang an sowieso eine Art Botschafterfunktion. Diese Verantwortung als Surf-Botschafter beinhaltet, wie du dich anderen Surfern/Nicht-Surfern gegenüber verhältst. Viele Menschen, die noch nie selbst surfen waren haben ein leider zu kurzgedachtes Image des Surfers im Kopf. Daran Schuld sind nicht nur die Medien.

Wie trägst du in deinem Umfeld dazu bei, damit aufzuräumen? Könnte ein guter Vorsatz sein: Weniger Ego, mehr einladen, weniger Ich und die nächste Welle, mehr das Gesamtfeeling eines Trips ans Ende der Welt, nach Frankreich oder an die City-Welle. Manche Sessions vermöbeln dich und deine Freunde, doch gibt es meist auch viel zu lachen. Wie viel Gemeinschaft in unserer kühlen anti-social-media-world im gemeinsamen Blödeln im Wasser sein kann, weiss nur ein Surfer nach z.B. einer solchen Session. Halte diesen Mehrwert nicht versteckt, beschränke das Gefühl nicht nur aufs Wasser. Mehr Imperativ fürs Leute einladen und die Community! 

Für wen ist Surfen der richtige Ort?
Wer hier ernsthaft urteilt, masst sich zu viel an. Wir sind manchmal alle heute noch und waren bestimmt zu Beginn so richtige Kooks. Du surfst nicht? Dann wirst du hoffentlich anfangen und es lieben lernen! Das «Kooksein» lässt sich leider nicht überspringen. Vor allem sind wir alle häufiger Kook als wir merken und uns eingestehen wollen. Gott sei Dank! Das ist gut so, habt Mut zum «Kooktum»! Wo finden die besonderen Menschen Platz, die sonst nirgendwo Platz finden? Ein Hoch aufs Surfen als Zuflucht für die Aussenseiter, die Outlaws und die, ohne Sinn und Zweck, für die Prototypen. Aber auch für Stars, Chicks, Machos und Sirenen. Ein Ort für die Bösen, die durch Surfen weniger Böse sind. Surfen kann Zuflucht sein für die Einsamen oder Spielplatz für die Rudeltiere. Surfen kann das Beste aus dir herausholen, in dem es dich lehrt, Frust und Freude auszuhalten, oder? Macht der schwerste Sport der Welt uns nicht irgendwie auch besser? Ein klares Ja, wenn deine Freunde dich festhalten, kein arroganter Spaten zu werden. Ein Hoch auf die Gemeinschaft und dass wir das auch in der Schweiz leben, als Surfer, Snowboarder, Skateboarder müssen wir den planlosen Freigeistern danken, die uns die Wege ebneten. Verhalten wir uns 2020 wie Fussballsfans oder Eiskunstläufer, hätten wir gleich in den Verein sollen und unsere Vorväter würden sich (noch nicht alle ;-)) im Grabe umdrehen. Es ist doch über allem die Maxime: Surfen is what you make of it. Ein Weg, deinen Charakter zu zeigen und zu schulen, im Wasser, wie an Land. Express yourself und lerne vielleicht durchs Surfen, keine Angst mehr vor dir selbst zu haben. 

Was ist «unser» Schweizer Surfen?
Wir sind Kleinkinder, wenn man andere Surfkulturen ansieht. Aber wir sind auch eine Nation voller Berge, in der andere Gleitsportarten die längste Tradition haben. Vom Schlitteln bis zum Halfpipe-Snowboarden sind wir hier in der Schweiz doch verbunden mit dem Wellenreiten, oder? Irgendwie? Gerry Lopez, die Legende, zog in die Berge, da er das Pulverschnee-Snowboarden liebt. Verdammt, so weit entfernt der Ozean auch liegt, ob gefroren oder flüssig salzig – über Wasser gleiten und die schwerkräftige Reibung unserer Füsse überwinden, das ist es! Wieder Kind sein dürfen, die simple Lust am Sich-Spüren. Lasst uns zusammen das beste der Surfkultur übernehmen und unser eigenes alpenländisches Geisterreich mit eigener Surfkultur leben und lieben!

Und wer bist du in dieser grossen weiten Welt aus Pools, Bergen voller Schnee und Küsten? 
Wir sind dazu verdammt, frei zu sein. Übernimm deinen kleinen Teil und hilf mit, den Rest des Jahrhunderts zu gestalten! 

Romantische Grüsse, euer Charly.