Immer mehr verfolgen Surf Contests bequem via Live Streaming. Entschied sich die WSL deshalb dafür, das Übertragungsrecht nicht mehr auf Facebook zu beschränken?

Wellenreiten, kühle Drinks, einsame Dschungelpfade auf deinem Roller auf einer indonesischen Insel, eine autarke Seligkeit. Und dein Handy in der Hand, von dem du dich willentlich darüber gebeugt mit John Johns Turns penetrieren lässt. Das ist es. Wir haben vielleicht alle ein bisschen Bock drauf. Oder du sitzt eben im Büro und nährst deine Surflust in einem nebenher geöffneten Reiter deines Browsers. Vielleicht bist du aber auch in der Strassenbahn und freust dich, etwas Ablenkung zu finden, nachdem der Arbeitstag dich in einen surffernen Zustand versetzt hat. So oder so, die Nachfrage nach Live-Berichterstattung der Tour ist ein Teil unserer Kultur geworden, auch wenn nicht für alle und jeden.

Es wird ein Tourstop gesurft und der Weg der Bilder zu deinem Screen geht vorbei an vielen, die etwas davon haben wollen. Es möchten viele Hände bedient werden und gewährleisten dir für ein kleines Stück vom Kuchen die beste und stets zugängliche mediale Darbietung der Weltklasse-Contest-Tour zu liefern.

Mark Zuckerberg mit Surfboard
Fotomontage? Mark Zuckerberg bei der Pressekonferenz «Exclusive Distribution Partnership» mit WSL, Quelle: stabmag.com

Es wäre für 30 Millionen US-Dollar ein Zweijahresvertrag betreffend Übertragungsrechte zwischen der WSL und dem Sozialmedia-Dienst Facebook geschlossen worden. Dies vermutlich mit Absicht, die Zuschauerzahlen und Audienz zu vergrössern. Nun am Ziel angekommen springt die WSL frühzeitig vom blauen Sprungbrett mit dem grossen Letter «F» ab und öffnet sich allen Kanälen, um Italo Ferreiras Airs, John Johns Back-Soda-Barrels und andere braungebrannte Topsurfer noch breiter auf die Bildschirme der Welt streuen zu können.

Nachdem Facebook für zwei Jahre eine Übereinkunft mit der World Surf League hatte, legt die WSL die Zusammenarbeit mit eingeschlossenem  Exklusivrecht ad acta. Gewinne zu generieren war mitunter Komplex. Facebook erlaubt keine Werbung für Live-Übertragungen. Somit sind die Geldflüsse durch Sponsoren der Events limitiert und es scheint nachvollziehbar, dass die WSL hier die Ausstrahlungsmöglichkeiten erweitern möchte, ohne ganz auf Facebook zu verzichten. Ein Lernprozess beider beteiligter Konzerne, der nun in einer fortlaufenden Partnerschaft mündet, kann als beendet bezeichnet werden.

«We were happy to collectively rework the partnership with World Surf League. Doing so enabled us to serve different audiences with different viewing experiences, including one on Facebook Watch where fans can watch together in a highly interactive and social environment.»

Kommentar eines Facebooksprechers in einem E-Mail-Statement gegenüber dem Surfmagzain «Beach Grit».

Die Zuschauerzahlen zusammengenommen, inklusive Facebook Watch, wachsen um 25% im Vergleich zum Vorjahr. Heisst das nun, dass die Liga von mehr Menschen gesehen werden wollte oder dass mehr Leute zuschalten aufgrund der erhöhten Diversität wählbarer Kanäle? Was hat das mit Channels an Beachbreaks zu tun im Unterschied zu Riffwellen? Bekommen wir hier nun auch mehr Kanäle?

WSL Live Streaming auf Facebook
Live Streaming über Facebook, Quelle: surftotal.com

Ein Viertel mehr Zuschauer schauen via TV und online zu (oder die WSL wuchs um 25%, die Frage muss unbeantwortet bleiben), wie die in bunte Trikots gepackten, braungebrannten Männer und Frauen von der Brandung angehoben werden und wieder abgesenkt. Zwischen den Wartezeiten auf Sets werden wir Zeuge von höchster athletischer Leistung und der Suche nach dem Utopia der perfekten Form. Meistens mit gutem Genmaterial ausgestattete (Multi-) Millionäre und Tour-Neulinge, Stars und Newcomer, bieten uns eine Show, die im Durchschnitt von knapp 900 Zuschauern auf Facebook gleichzeitig live verfolgt wird. Kann das sein? Sind das nicht mehr? Datengewinn im Internet, messbare Zahlen für die Statistik generieren Sponsorengelder weil Zielgruppenforschung. Nun sei es drum.

Wenn man sich nun vor Augen führt, wie Surfbrands Marketingstrategien auf Hoffnung, Freiheit, Autonomität sowie Abenteuerlust auslegen, wirkt dies auf meine subjektive Wahrnehmung sehr mechanisch, sehr maschinell im Vergleich zum transportierten Image. Die Mechanisierung und somit auch Strukturierung in kleine messbare Quanten aus Turns, Barrels, Zuschauerzahlen und Werbeverträgen ernüchtert uns doch vielleicht ein wenig. Klar ist es naiv, die Milliarden-Dollar-Industrie nun zu verteufeln oder nicht wahrhaben zu wollen, zu der Surfen geworden ist. Auf der anderen Seite ist eine Frage nach Authentizität in diesem Zusammenhang nicht unberechtigt. Es gibt Stimmen, die die Aufnahme des Kriteriums «Style» in die WSL-Bewertung aufnehmen möchten. Nun wäre zu behaupten, jener Style läge im Auge des Betrachters, wie bei jeder Kunst. So sagt schliesslich der Volksmund. Somit wäre das nicht messbar, nicht quantifizierbar, nicht in einem Katalog reproduzierbarer Bewegung auf dem Tisch der Jury der WSL. Ist Style aber nicht im Surfen, in den Brettsportarten und generell das, was sich mit der einst so häufig in Sportberichten genannten Virtuosität überschneidet? 

Fantasy League Surfing, Videospiele, Filme, Olympia. Die Gretchenfrage nach dem, was zu tun, zu glauben oder für gut zu befinden ist, musst du im Spiegel beantworten oder sie dir gar nicht erst stellen. Für letzteres gilt ohnehin wohl eher stumpf ist trumpf, was weniger Kopfschmerzen bereitet. Trink noch ein Bier.

WSL CEO Sophie Goldschmidt
WSL CEO Sophie Goldschmidt, Quelle: revistatrip.uol.com

Der CEO der World Surf League Sophie Goldschmiedt wurde auf der Forbes-Liste auf Platz 15 eingestuft in der Kategorie «mächtigste Frau im internationalen Sport». Sie wächst als Tennisspielerin im Leistungssportbereich auf, arbeitet danach für Adidas, die Women Tennis Association und anschliessend für die NBA. Seit 2017 ist sie CEO der World Surf League und im selben Jahr wurde ihr die Genehmigung verwehrt, die Hauptveranstaltung «Pipe Masters» an der Location in O’ahu abzuhalten und zwar vom Bürgermeister von Honolulu höchstpersönlich. Autsch. Das sei aber eine andere Geschichte. Unter ihrer Führung als CEO wurden die Preisgelder für weibliche und männliche Wettkämpfer angepasst. Hätte ich einen Hut, würde ich ihn abnehmen. So oder so, die WSL und wir müssen und dürfen mit Sophie leben.

Pipe Masters Contest
«Pipeline Master event cancelled for 2019», Quelle: boardaction.eu