Kennt ihr das? Seit Jahren landlocked, ihr wollt endlich wieder surfen aber scheut euch davor, den
Flieger zu nehmen? Gute Nachricht: Ihr seid nicht allein und es gibt Alternativen!
Als angehende Umweltingenieurin beschäftige ich mich viel mit der Frage: «Wie kann ich meinen Lebensstil umweltfreundlicher gestalten?» So auch dieses Mal, als mich der starke Drang überkam, wieder einmal ans Meer zu fahren. Die Betonung liegt hier auf dem Fahren, denn es keimte der Gedanke in mir, diesmal nicht zu fliegen. Diese Idee wurde in die Tat umgesetzt und erwies sich einfacher als gedacht. Um die Erfahrung für jeden zugänglich zu machen, habe ich meine Reise festgehalten.
Le plan
Die Idee zu verreisen kam sehr spontan, darum blieben mir nur einige Tage für die Planung und eine Woche für die eigentliche Reise. Ich erkundigte mich bei meinen europaerfahrenen, surfenden Freunden, wo ich anfangs September noch etwas Wärme und Wellen erhaschen könnte. Da eine weit entfernte Destination nicht in Frage kam, fiel die Wahl schnell auf Frankreich, und zwar die Atlantikküste.
Bevor ich richtig planen konnte, musste noch eine wichtige Entscheidung gefällt werden: Welches Transportmittel wird mich an den Atlantik bringen? Zur Auswahl standen der Zug oder Mitfahrgelegenheiten (MFG). Letztere gibt es wie Sand am Meer und ich versuchte versuchte mein Glück zuerst hier. Wenn man ein wenig recherchiert, findet man in vielen sozialen Netzwerken Surf Communities, in welchen Fahrten zum Teilen angeboten werden. Bei dieser Variante ist es wichtig, in Datum und Zielort flexibel zu sein. Leider hatte ich dieses Mal zeitlich keinen Spielraum und so kam es, dass für den gewünschten Zeitraum keine MFG aufzufinden war.
Ich entschied mich also, mit dem Zug zu reisen. Ein Ort mit hoher Wellensicherheit und einer unkomplizierten Anreise ist Biarritz. Aus Gewohnheit gab ich meinen Reiseplan auf der Seite der Schweizer Bundesbahnen ein und war überrascht, dass ich kurz darauf im Besitz der Verbindungdetails war. Das Suchergebnis präsentierte mir vier Verbindungen, bei denen ich am selben Tag noch in Biarritz ankommen würde. Die Reisedauer war meistens zwischen zehn und zwölf Stunden inklusive Bahnhofswechsel in Paris. Ein für Studenten zahlbares Ticket fand ich bei interrail.eu. Es gibt sehr viele verschiedene Interrail-Pässe zu verschiedenen Preisen für verschiedene Länder. Um Zeit zu sparen und die richtigen Billette auszuwählen, buchte ich ohne Aufpreis meine Tickets am SBB-Reisebüroschalter. Natürlich kann man die Fahrkarten auch bequem online buchen, muss hier aber beachten, dass in Frankreich die Plätze in den Zügen noch zusätzlich reserviert werden müssen.
Avec ou sans planche de surf
Mein ambitionierter Rechercheversuch, ob ich mein Surfboard mitnehmen könne, endete in Widersprüchen. Am Schalter des Reisbüros wurde mir erklärt, dass in den TGVs keine Bretter über 1.20 Meter mitgenommen werden dürfen. Ich fragte mich, welche Art von Surfbrett das wohl wäre und entschied, dass hier wohl Bodyboards gemeint sind. Identische Informationen erhielt ich durch die Webseite des TGV. Anscheinend gibt es aber einige Mutige, die nichtsdestotrotz ihre Bretter mitnahmen, und dies kein Problem zu sein schien. Das Risiko auf dem Gleis stehen gelassen zu werden war mir aber zu hoch und ich trat meine erste Zugreise ans Meer ohne Brett an. Ich war mir sicher, in Biarritz ein Brett mieten zu können.
Um dem auf den Grund zu gehen, erkundigte ich mich noch vor dem Trip über potenzielle Surfshops in der Nähe meines gebuchten Campingplatzes «Le Pavillion Royal» im Stadtteil Bidart. Einer stach mir sofort ins Auge, nicht nur wegen der ansprechenden Webseite, sondern auch wegen des Namens: «Marty Surf Delivery». Mit einem Schmunzeln schaute ich mir das Video auf seiner Seite an, das kurz und prägnant darstellt, wie sein Geschäft funktioniert: Man hat die Möglichkeit, die Bretter online zu buchen und er bringt (!) es dann an den gewünschten Zielort, am gewünschten Tag, zur gewünschten Zeit (in Frankreich ticken die Uhren aber ein bisschen langsamer).
Richtig angetan von der Idee, schrieb ich ihm noch von zu Hause aus, dass ich bald in Biarritz sein und gerne seinen Service in Anspruch nehmen würde. Die Antwort und somit das OK, dass sich die Brettsache geregelt hatte, liessen nicht lange auf sich warten und steigerten meine Vorfreude noch mehr.
Le voyage en TGV
Die beiden Zugfahrten von Zürich nach Paris Gare de Lyon und von Paris Montparnasse nach Biarritz waren sehr angenehm und vergingen wie im Flug. Alles in allem dauerte die Fahrt ungefähr akzeptable zehn Stunden. Die Verbindungen nach Biarritz waren zum Glück so gut, dass ich nie lange warten musste und der Bahnhofswechsel in Paris ist dank ausführlicher Beschriftung ruckzuck erledigt. Die Fernzüge waren die ganze Fahrt hindurch sehr gut besucht und der Stauraum begrenzt. Ich dachte an mein Brett und war froh, es nicht dabei zu haben. In Gare du Biarritz angekommen schnappte ich mir den Bus in Richtung des Stadtteils Bidart und erreichte nach einer 30-Minütigen Fahrt, inklusive einmal Umsteigen, den Campingplatz. Er lag auf einer mit Sträuchern und Pinienwäldern bewachsenen Düne umrandet von wunderschöner Natur. Am Ende des «Pavillion Royal» trennte ein grosser Zaun das Areal vom Strand, mittendrin ein Tor, welches den Zugang zum Meer ermöglichte. Auf dem Weg dorthin fielen mir in beinahe jeder Parzelle ein oder gleich mehrere Surfbretter auf. Die Atmosphäre, die durch dieses Bild ausgestrahlt wurde gab mir das gute Gefühl, am richtigen Ort zu sein. Auf der anderen Seite der Abgrenzung lag, noch immer erhöht, ein perfekt gelegener Aussichtspunkt, der eine unverbaute Sicht auf die umliegenden Buchten und Strände gab. Ideal um vor der Surfsession den Swell zu checken.
La mer
Am nächsten Morgen chattete ich mit Marty, der mir sehr zuvorkommend über Messenger zur Wahl des richtigen Brettes verhalf. Ein 7-er sollte es sein. Zehn Minuten später brachte er mir mein Brett, verpackt in einem Boardbag auf seinem Roller zur Reception des Campingplatzes. Nach einem kurzen Gespräch, erfreut darüber, dass alles so unkompliziert und der Delivery Service umsonst war, machte ich mich aufgeregt auf den Weg Richtung Meer. Aus diesem Grund war ich da, ich wollte surfen!
Es gibt an der Côte des Basques unzählige Spots in verschiedene Richtungen, glücklicherweise musste ich an diesem und in den drei folgenden Tagen nicht weit suchen. Die Wellen am Hausstrand waren für mein Level perfekt und ich konnte meine Technik jeden Tag ein wenig verbessern. Als der Swell am vierten Tag grösser wurde, wechselte ich das Brett bei Marty, und auch dieses Mal war der Service selbstverständlich und umsonst.
L’interview
Während meines Aufenthalts kam das Bedürfnis, mehr über Marty und seine coole Geschäftsidee zu erfahren. So schrieb ich ihm, ob er gewillt sei, ein kurzes Interview mit mir zu machen. Ich fand nämlich, dass sich seine Idee sehr gut mit dem Umweltgedanken, den ich hegte, verbinden liess. Es vereinfachte meine Reise enorm, zumal ich ja in Biarritz nicht mobil war. Glücklicherweise fand auch er die Idee eines Interviews ansprechend und wir trafen uns am Tag vor meiner Abreise für ein Gespräch.
Als ich in seinem Surfshop ankam, erwartete mich eine Runde freundlicher und aufgestellter junger Menschen, die mich sofort in ihre Gespräche einbanden. Ich musste etwas beschämt feststellen, dass man sich in Frankreich nicht die Hand reicht, sondern mit zwei Küssen auf die Wange begrüsst. Nach einer gemütlichen Runde zogen wir uns für das Interview in seinen sehr hübsch eingerichteten Shop zurück, der von aussen eher wie ein Wohnhaus aussah, aber durch die vielen Bretter und Schilder keine falschen Schlüsse zuliess. Marty erzählte mir wie alles anfing, dass diese Idee des Delivery Services aus einer Not entstanden war: «In Biarritz ist der Arbeitsmarkt spärlich, die Mieten hoch und die Saison kurz. Ich wollte etwas eigenes und fing mit einem Schuppen an, in dem ich meine Bretter lagerte. Da ich damals keinen richtigen Laden hatte, in welchem ich meine Kunden empfangen konnte, entschied ich, die Bretter zu den Touristen zu bringen.» Diese Idee fand sehr schnell Anklang und er konnte sich ein florierendes Business aufbauen. Heute ist es nicht mehr nur ein Schuppen, in dem seine Bretter gelagert sind, sondern ein Ort zum Verweilen, stilvoll eingerichtet mit einer einladenden Atmosphäre. Auch führt er sein Geschäft nicht alleine, sondern erhält tatkräftige Unterstützung von seiner sympathischen Freundin Lucy, die eigentlich in Australien zu Hause ist.
In dem Shop stehen über 100 Bretter, bei denen Marty grossen Wert darauf legt, dass es gute Bretter sind. Er erzählte mir von seinen Erfahrungen, dass er es selbst nicht mag, wenn er ein 08/15-Brett ausleihen muss: «Jedes Brett, das du siehst ist hochwertig und kann gemietet oder gekauft werden. Und falls du dein neues oder altes Surfboard gleich in Biarritz lassen möchtest, biete ich einen Lagerservice an, wo du es bis zum nächsten Surfurlaub deponieren kannst». Falls man sein Altes nicht mehr braucht, nimmt es Marty gerne und spendet es der Assoziation «Surfeurs Solidaires», die es dann an Orte der Welt bringt, an denen sich die Menschen keine Bretter leisten können und die Wellen ungesurft bleiben. Hierzu hat er einen spannenden Kurzfilm gedreht:
Im Verlauf unseres Gesprächs vielen mir zudem etliche eBikes in seinem Laden auf und ich fragte ihn, ob er die auch vermiete. Er erklärt mir, dass die Vermietung sehr gefragt und die Bikes immer angesagter sind: «Wenn du willst, montieren wir sogar ein Surfrack auf das Bike, so kannst du ganz einfach von Spot zu Spot fahren». Eine Idee die Früchte trug, denn im Sommer waren die eBikes fast immer ausgebucht. Um auch die Fahrräder zu den Kunden bringen zu können, baute er eine Vorrichtung in seinen Bus, welche die Fracht an Ort und Stelle hielt. Als sich das Gespräch langsam dem Ende neigte, fühlte ich grosse Dankbarkeit. Nicht nur für die Zeit, die sich Marty für mich während des Interviews, aber auch im Vorfeld genommen hatte, sondern auch für die vielen schönen Eindrücke und Surfsessions, die ich in Biarritz haben durfte. Mein Eindruck von diesem verschlafenen Dorf am Atlantik im September und seinen Bewohnern war fantastisch. Ich kann diese Reise mit dem Zug und einen Besuch bei Marty und Lucy nur weiterempfehlen, alles war perfekt und es fühlte sich gut an, dieses Mal nicht geflogen zu sein.
Übrigens – wusstest du, dass eine Flugreise bis zu 23mal mehr Kohlendioxid ausstösst als die Reise mit dem Zug? Teste selbst: Ecopassenger.com oder myclimate.org.
Hello,
Ja, es gibt kein fest regeln wegen Surfboards im Zug in Frankreich, und Kontrolleur können machen was Sie wollen… Es ist ein riesen Problem es ich fruchte es gibt kein licht im Sicht. Man kann den Risiko nehmen, und manchmal es klapp ohne, aber oft kreigt man Büse oder Arger.
Ahoi
Ich bin schon zweimal mit dem Zug von Basel nach Biarritz und zurück mit dem eigenen Board und hatte nie Probleme. Im TGV Doppelstöcker gibt es auf der oberen Ebene einen Gepäckbereich. Der ist zwar nicht gross, aber ich konnte den Boardbag mit meinem 6`3 Shortboard gut vornedran verstauen dass man noch gut durchkommt und die anderen Gepäckstücke nicht blockiert.
In 3 Stunden bin ich in Pais Gare de Lyon, kann gemütlich Zmittag essen und gehe dann zu Fuss die 500m über die Seine an den Gare Austerlitz und bin in 4 weiteren Stunden in Biarritz. Und hier wirds mühsam, denn offenbar fahren alle TGVs nach Biarritz seit gut einem Jahr oder so nur noch über den Gare Montparnasse. Das ist schade. Vielleicht ist es jetzt mit den Boards wie oben von Joel beschrieben auch mühsamer, weil Austerlitz ein kleinerer Bahnhof war als Montparnasse und alle SNCF Menschen ein wenig cooler drauf waren.
Mit dem Skateboard gehts vom Bahnhof Biarritz in die AirBnB Wohnung im Zentrum der Stadt, wo ich zu Fuss im Neo in 5Min an der Cote de Basques und in 10Min am Grand Plage bin.
Fazit: Reise ohne Board mit dem Zug ist sehr easy. Mit dem Board ists wohl etwas Glückssache mit dem mitnehmen, und dass man nun mit Metro usw. zum Montparnasse gehen muss ist mit Boardbag und Gepäck sicher nicht mehr so cool. Ich würds aber mit einem Shortboard wohl wieder versuchen.
Hey Balz – vielen Dank fürs Teilen deiner Erfahrungen. Probieren kann mans, viele Nerven und Geduld mitnehmen. Hoffentlich werden die Verkehrswege bald ausgebaut, sodass wir ohne Auto oder Flugzeug nach Frankreich fahren können. Schöns Weekend!
Das mit dem Zug haben wir vor ein paar Wochen auch versucht… Wir wollten von Biarritz via Paris zurück nach Basel und da wir auf der (englischen) Website keine Infos fanden, dachten wir das wäre kein Problem (2 boards, 1x 6.2 & 1x 7.0). Am Bahnhof machte uns der Kontrolleur dann aber bereits ein riesen Theater und wollte uns nicht einsteigen lassen… Wir sagten wir hätten keine Wahl und er murmelte etwas von 50€ Busse und so stiegen wir trotz Protest ein. Während der Zugfahrt kam er dann extra noch einmal um uns zu zeigen, dass auf der Website steht, Boards die Grösser als 1.20 seien seien nicht erlaubt. Wir recherchierten selber noch einmal und sahen, dass das nur auf französisch stand, auf Englisch war kein solcher Hinweis zu finden. Mit diesem Argument konnten wir ihn dann glücklicherweise besänftigen. Das Umsteigen in Paris war dann auch alles andere als angenehm (1x quer durch die Stadt mit der Metro), dafür sagte dann auf dem Zug von Paris nach Basel niemand mehr etwas. Unser Fazit: Wir würden es nicht mehr tun. Schade!
Hey Joel, vielen Dank für deine Zeilen und das Teilen deiner Erfahrung. Schade, dass es so kompliziert ist. Aber dann ist die Geschäftsidee von Marty echt hilfreich, ausser man will unbedingt sein eigenes Board surfen.