Neuseeland war magisch und fühlt sich rückblickend wie ein Traum an. Ich liebte die Weite, die Rauheit und Reinheit dieses Ortes, nicht zu vergessen, die endlos langen Wellen. Doch was tut man, wenn die Wellen mal ausbleiben? Ganz einfach: Man durchquert die Insel und verbringt sehr viel Zeit mit Wartenund Nachdenken. Vielleicht sogar ein bisschen zu viel. Willkommen in meiner Gedankenwelt!
Geplante Planlosigkeit
Was die Planung meines Roadtrips in Neuseeland betrifft, habe ich nicht wirklich irgendwas vorbereitet. Ich habe eine Karte gekauft, ein paar Surfspots — inklusive idealer Swell- und Windrichtung — eingetragen und einen Van gebucht. Richtig, einen Van. Ich bin also während zwei Wochen planlos und alleine mit einem Van durch die Nordinsel Neuseelands gereist, mit dem einzigen Ziel, möglichst viele Wellen zu surfen.
Oops.
Ein eher ungünstiger Start ins Abenteuer. Wie kriegt man sowas überhaupt hin?!
Selbst ist die Frau
Simbadabum — Problem gelöst. Nur schade, dass nun beim Öffnen des Vans jedes Mal der Alarm anging. Sorry Nachbarn!
Mount Maunganui mit einer kleinen Priese Krise
Man gewöhnt sich so schnell an diesen Lebensstil und gleichzeitig ist es auch ermüdend. Das Leben eines Süchtigen. Nicht Drogensüchtigen, Wellensüchtigen. Der Kick. Der unersättliche Appetit nach Wellen. Bei jedem weiteren Trip hast du das Gefühl, endlich genug zu haben. Tatsache ist jedoch, dass ich gerade zwei Tage ohne Surfen verbracht habe und ich mich bereits jetzt so fühle, als würde ich einen Entzug durchmachen. Im Ernst jetzt. Ich bin den ganzen Weg von Raglan hierhergekommen und obwohl ich von atemberaubender Natur und endlosen Optionen an Dingen, welche es zu sehen und entdecken gäbe, umgeben bin, kann ich nur ans Surfen denken. Wellen. Forecast. Aber die Wellen bleiben auch hier aus. Ich habe Stunden damit verbracht, auf Apps wie Windy, Marine Forecast New Zealand, Surfforecast, Magic Seaweed — ich weiss, eher utopisch, aber hey, die Hoffnung stirbt zuletzt! — nach den besten Wellen zu suchen. Erfolglos. «Es gibt einen schönen Berg, den du besteigen könntest» — cool, danke für den Tipp aber ich habe nicht wirklich Lust dazu, etwas anderes zu tun, als weiterhin nach einer Welle zu suchen. Soll ich acht Stunden in den Süden fahren, wo es jetzt super ist, aber in zwei Tagen flat sein wird? Zurück nach Raglan, wo es zwar überfüllt, dafür aber gut sein wird? Oder zwei Tage hier bleiben, einfach mal relaxen und mich mit Spa verwöhnen? Wie kann man nur so stur und unentschlossen zugleich sein, muss wohl an meiner Periode liegen. Oh Mann, ich will doch einfach surfen!
24h später — Die erste Kiwi-Welle
Nach langem Hin und Her blieb ich dann doch in Mount Maunganui. Eine gute Entscheidung. An der Tay Street fand ich schliesslich meine erste Kiwi-Welle. Ein winziger Shorebreak, den ich bei Ebbe mit nur einem weiteren Surfer teilen durfte. Blaue Lippen, weisse Fingerspitzen — am Ende der Session war ich nahezu durchgefroren. Aber egal, mein Hunger war gestillt, die Krise überstanden und ich war glücklich.
Eine felsige Angelegenheit
Es ist nicht das kalte, trübe Wasser oder die Tatsache, dass sich darin Haie und Orkas befinden, welches das Surfen in Neuseeland zu einer Herausforderung machen. Es ist der krasse Offshore-Wind, die aggressive Sonne, die anstrengenden Strömungen und die endlose Anzahl Felsen. Das Ein- und Aussteigen aus dem Wasser ist eine ********* Mission; wer es ohne Verletzung schafft, hat bereits gewonnen. Felsen. Überall Felsen. Du näherst dich den nassen, glitschigen Felsen und dann kommen sie, die Wellen. Felsen hier, Felsen dort und wenn du denkst, dass du es endlich geschafft hast — wram. Ein weiterer Felsen, gefolgt von einer weiteren Welle, welche dich gnadenlos auf deinen Hintern knallen lässt. Auf allen Vieren krabbelst du auf einem Beet von mit Algen bedeckten, rutschigen Felsen herum und suchst nach Halt. Irgendwie. Irgendwo. Und irgendwann legst du dich auf dein Brett, nur um schmerzhaft festzustellen, dass deine Finnen gerade über — Überraschung — weitere, versteckte Felsen geschlittert sind. Verzweifelt drehst du das Brett um, lässt dich, wie ein kleiner Marshmallow, auf dem Wasser treiben und hoffst darauf, dass dich die Strömung von diesen kleinen ************ wegzieht. Deinen Stolz und deine Würde kannst du im Auto lassen. Hier geht es nur ums Überleben. Oder so. Aber hey, immerhin geht es allen gleich und glaub mir, die Demütigung zahlt sich aus! Einmal im Line-up angekommen, kann die Party beginnen. Auf und ab und auf und ab und am Ende hüpfst du mit einem riesigen Smile von deiner Welle weg, immer in der Hoffnung, nicht doch noch plötzlich einen Felsen übersehen zu haben.
Eine etwas andere Erfahrung
Ein seltsamer Tag. Seit vier Stunden befinde ich mich in der Manu Bay und hoffe auf ein Wellenwunder, welches nicht eintrifft. Den ganzen Tag nicht. So sitze ich alleine auf der Bootsrampe und starre aufs Meer. Ebbe. Einmal mehr ziehen die Felsen meine ganze Aufmerksamkeit auf sich. Ich frage mich, warum die Algen, trotz immer wiederkehrenden Ebbe, ausgerechnet dort wachsen. Sterben die denn nicht? Die sonst so glitschigen Oberflächen sind total ausgetrocknet. Die können nur tot sein. Egal. Ich schaue auf und mir wird bewusst, dass ich inzwischen von etlichen Menschen umgeben bin, welche sich mit Schnorchel und Flossen durch das Wasser gleiten lassen. Ein Einheimischer, Nate, erklärt mir, dass sie die Felsen nach Seeigeln und schneckenförmigen Muscheln absuchen. Seeigeln? Ich bin etwas verblüfft. Nate zückt ein Messer und öffnet einen Seeigel für mich. Ein Geschenk. «Finger rein und auslöffeln. Alles was orange ist, kannst du essen.» So sitze ich auf einem mit toten Algen überwucherten Felsen und löffle mit meinem Zeigefinger den Inhalt eines noch lebenden Seeigels aus. Eine äusserst seltsame, jedoch cremige und erstaunlich schmackhafte Erfahrung.