Surfen in der Stadt der Könige: Die einst prächtige Kolonialstadt ist Paradebeispiel ungeplanter Zersiedelung. Lima, die Hauptstadt von Peru mit einigen der besten Wellen der Welt.

Lima heute
Der erste Eindruck von Lima: grau, laut und dreckig. Der Verkehr zählt zu den schlimmsten der Welt und die Hupe wird öfters benutzt, als die Verkehrssignale beachtet. Die Häuser wirken unfertig, weil einfach alle irgendwie angefangen haben zu bauen und ja vielleicht irgendwann weiterbauen. Der Himmel ist grau verhangen, vor allem im Winter. Nur im Hochsommer zeigt sich die Sonne. Die Abfallentsorgung ist noch lange nicht so ausgeklügelt, wie es sich für eine Millionenstadt gehören sollte und niemand interessierts wirklich.

Die Touristeninseln sind die Altstadt, in welcher man die goldenen Zeiten Limas erkennen kann, und Miraflores, ein hippes Viertel (beinahe) am Meer. Die Stadt wird durch hohe Klippen zum Meer hin getrennt. Entlang dieser Klippen wurde eine gepflegte Promenade und eine grüne Parkanlage mit viele Fitnessgeräten, zwei Skateparks und schönen Bäumen und Pflanzen gebaut. Unterhalb der Klippen verläuft die Autobahn. Am Meer selbst führt auch eine, jedoch weitaus schlichtere, Promenade dem Ufer entlang. Auch hier trennt eine dünne Mauer den Gehweg vom Meer. Die Strände sind nicht etwa weiss, es handelt sich um graue Steinstrände. An genau diesen Strände brechen eine gute Anzahl von verschiedenen linken und rechten Wellen.

Citysurfing
Lima hat stolze elf Surfspots zu verzeichnen. Sie befinden sich zwischen dem südlichsten Punkt der Stadt, Chorillos, und ziehen sich bis in etwa die Mitte der Stadt, Miraflores. An den meisten Spots geben die Molen, die fast an der ganzen Küste Limas entlang gebaut wurden, den Wellen eine Form. Nach Miraflores stimmt leider der Untergrund nicht mehr, ansonsten wäre die ganze Küste Limas voller Surfspots.

Man findet von kräftigeren A-Frames* bis zu gemütlichen Rights alles in Lima. Der bekannteste Spot «La Herradura» ist klassischerweise für Peru ein kraftvoller linker Pointbreak. In «Punta Roquita» kann man sogar in der Nacht, bzw. am Abend surfen. Die Flutlichter brennen bis spät abends und beleuchten die Wellen. Dieser Surfspot ist der beliebteste. Er befindet sich genau vor Miraflores, hat etwas mehr Power und ist dank den Lichtern auch nach dem Sonnenuntergang surfbar. Der Name ist zudem von «Punta Rocas», der beliebtesten Performance-Welle** in Punta Hermosa, abgeleitet.

*A-Frame: A-förmig, die Welle kann nach links und rechts gesurft werden.
**Performance-Welle: Eine Welle, die genau die richtige Power hat, um eine Vielzahl von progressiven Manövern zu machen.

Blick auf Redondo, Makaha und Waikiki
Blick auf die Longboard und Anfänger-Spots Redondo, Makaha und Waikiki. Links eine Mole, typisch für die Küste Limas. Bild: Helga Iaszay.

Gleich einen Spot weiter südlich befindet sich «La Pampilla», eine langsame, aber lange Right, geeignet für Intermediates. Die darauffolgenden Spots «Waikiki», «Makaha» und «Redondo» sind auch langsamere Wellen, vor allem für Longboarder und Anfänger geeignet. Dort werden auch Boards vermietet und Surfstunden angeboten. Wie in jeder Millionenstadt sollte man seine Sachen nicht unbeaufsichtigt am Strand liegen lassen. Das Beste ist, wenn man nur das nötige Kleingeld für den Bus und ein Wasser mitnimmt. Die Locals, die mit dem Auto kommen, geben ihre Schlüssel einem der Imbisswagen zur Aufsicht. Wir haben auch einfach unseren Zimmerschlüssel der Verkäuferin gegeben, sie hat sogar auf unsere Single Boardbags aufgepasst. Was einem nach dem Surf noch bevorsteht, ist der Aufstieg zurück in die Stadt, ausser es fährt per Zufall gerade ein Taxi vorbei. Finanziell lohnt es sich aber, die tausenden von Stufen hoch zu laufen und mit dem Bus zu fahren.

Stadtrand
Eines Tages, als grosser Swell angesagt war, entschieden wir uns, die Reise nach «La Herradura» auf uns zu nehmen (dieser Spot funktioniert nur bei grossem Swell). Von San Miguel aus, was etwa 5 Minuten nördlich von Miraflores entfernt liegt, brauchten wird fast 2 Stunden mit den verschiedenen Bussen und einem Taxi.

Die Promenade entlang der Küste hat auch am Ende der Stadt dasselbe Design, jedoch ist sie ziemlich heruntergekommen. Chorillos ist die letzte Ecke der Stadt, die vor allem die Ärmeren beheimatet. Zwei Gebäude, welche nach dem Ende der Promenade ans Meer gebaut wurden, sind verlassen und verfallen. Es verläuft ein staubiger, etwa 1-km-langer Weg an der Klippe entlang zum Point. Dort rollte ein grosses Set nach dem anderen herein. Wir zogen uns auf dem Parkplatz um und konnten unsere Sachen für 5 Soles von einem Mann mit Baseballschläger bewachen lassen. Ein Local Bodyboarder war auch gerade mit seinem Auto angekommen und fragte interessiert, woher wir kämen, da es nicht viele Touristen nach Chorillos verschlägt. Er bot uns an, mit ihm zum Point zu gehen. Nach etwa 50 Metern begann er seine Flossen anzuziehen und ins Wasser zu gehen. Wir waren verwirrt: Wieso laufen wir nicht ganz nach vorne und springen da ins Wasser? «Viel zu gefährlich», sagte er. «Man wird auf dem Weg ausgeraubt.» Was rauben sie denn? Wir hatten ja nichts. «Die Boards und manchmal auch die Wetsuits», meinte er. Wir konnten es fast nicht glauben. Doch die meisten schienen das Paddeln dem Weg vorzuziehen, auch die Peruaner.

Siehe hierzu das Titelbild, es zeigt Limas Küste von den typischen Klippen aus. Im Hintergrund beim leuchtenden Kreuz befindet sich der bekannte Spot La Herradura.

Bei der Welle angekommen, riet er uns, nicht direkt an den Point zu sitzen, die Locals würden es nicht akzeptieren. Aber auf der Shoulder* kamen die kleineren Sets durch, oder die Wellen, die niemand nahm. An diesem Tag waren die grössten Sets um die 3 Meter, weshalb der Schulterplatz für mich in Ordnung war. Die Stimmung war, zumindest für mich, etwas angespannt. Einerseits wegen den Locals und andererseits wegen den grossen und kräftigen Wellen. Hunderte Duckdives, ewige Warterei und endlich eine schöne Welle später hatten wir auch schon genug und gingen. Unsere Sachen waren noch da. Irgendein Surfer rannte jedoch mit Handy am Ohr herum und kurz später tauchten 2 Polizeiautos auf. Die Szene bestätigte die Geschichte des Bodyboarders. Glück gehabt, all unsere Sachen und die Möglichkeit gehabt zu haben zu surfen, so traten wir dann den Heimweg an. Die Welle ist wirklich gut, bis man aber eine kriegt, aufgrund einer langen Anreise, Paddelumwegen wegen Räuber und Spot-schützenden Locals, gehts ein Weilchen. Ähnlich gute Wellen gibts an der ganzen Küste Perus, ohne Menschen.

*Shoulder: Der noch ungebrochene Teil der Welle. Wenn man eine Welle von der Shoulder nimmt, ist die Welle schon am Peak gebrochen. Man surft vom gebrochenen Teil in Richtung des ungebrochenen Teils der Welle.

Punta Hermosa
Mit dem Bus 3 Stunden südlich von Lima befindet sich Punta Hermosa. Das beliebteste und nächste Surfstädtchen von Lima aus. Auch der Surfwettkampf der Panamerikanischen Spiele im Sommer 2019 wurden dort ausgetragen. Uns hat es 2 Tage in den Ort verschlagen. Das Städtchen zieht sich ziemlich in die Länge. Zwischen dem bekannten «Punta Rocas» und dem nördlichsten Spot «Señoritas» liegen etwa 5 Kilometer.

Bevor wir uns eine Bleibe suchten, liefen wir etwa die Hälfte ab, um zu sehen, welche Spots funktionierten. Nach einigen Gesprächen mit Locals stand fest, nur «La Isla» lief. Wie es der Name schon sagt, formt sich die Welle an einer kleinen Insel (mit einem steinigen Verbindungspier zum Festland) mit Riffuntergrund und rollt in kräftigen Rights herein. An den Spot zu kommen ist super einfach, da man einfach so weit wie möglich auf die Insel läuft und dann reinspringt. Die Strömung zieht einem schnurstracks nach draussen. Vom Peak bis zum Strand sind es dann etwa 700 Meter. Die einzige Möglichkeit herauszukommen, ist der Strand. Über die Steine ist die Strömung zu stark. Dies wurde mir einmal fast zum Verhängnis: Eine starke Welle riss mir beim Duckdive das Board aus der Hand und die Leash löste sich. Mit dem kaputten Board und 2-Meter-Brechern auf mich zukommend sahs finster aus. Die Delfine, die ich noch vor ein paar Minuten sah, kämen mir wahrscheinlich nicht wie in den Hollywood-Filmen zur Hilfe. Das einzige, was ich tun konnte, war mit Hilfe der Wellen an den 700 Meter entfernten Strand zu schwimmen. Zum Glück hatte mein Freund noch keine Welle genommen und bemerkte, dass ich ziemlich tief im Wasser war. Zusammen sind wir auf seinem Board Richtung Strand gebodyboardet und hatten sogar mein Surfboard noch etwa 200 Meter vorher einfangen können.

Neben Schwimm-Ausdauer und Panikkontrolle, oder einfach einer guten Leash, die man mitbringen sollte, ist «La Isla» aber ein cooler Spot! Wir waren fast immer allein oder mit höchstens zwei anderen im Wasser. Wahrscheinlich lag es daran, dass wir in der Nebensaison gingen und bewusst das Wochenende mieden. Aus demselben Grund war auch das ganze Städtchen ausgestorben. Anscheinend ist es in der Hochsaison aber the place to be. Gerne hätten wir Punta Hermosa noch bei anderen Bedingungen erlebt und die linken Barrels von «Señoritas», sowie die langsameren Rights von «Caballeros» gesurft. Es lohnte sich aber für uns nicht, im teureren Städtchen auf einen Swell zu warten und so zog es uns ins nächste Abenteuer in die Berge.