Der Himmel ist grau. Alles still, niemand da. Nur ein Pelikan fliegt tief über die Wasseroberfläche. Und da kommt es, das Set. Eine perfekte Left nach der anderen rollt in unsere Richtung. Ja, wir sind angekommen.

Erste Eindrücke
Peru ist der erste Stopp der einjährigen Südamerikareise von meinem Freund JP und mir. Das Erste, was einem in Peru auffällt, ist der Nebel. Vor allem wenn man aus dem Schweizer Sommer kommt. In dicken Schwaden hängt er über dem Meer. Zum Glück nur frühmorgens. Danach beginnt er sich soweit zu lichten, dass man die Wellen und den Strand sehen kann. Von der nebligen und lauten Stadt Lima geht es schnell Richtung Norden zum ersten Strand. Die Leute schauen alle, wenn so ein grosser Camper vorbeifährt. Sie sind aber sehr freundlich, weisen einem den Weg, helfen das Auto zu überbrücken und sind immer interessiert, woher man kommt (auch wenn wir eh alle Gringos sind). Am zweiten Tag als wir an den Strand fahren wollen, werden wir von einem alten Mann gewarnt, dass wir nicht dort hinfahren sollten. Leute wie wir würden dort ausgeraubt. Bewaffnete Raubüberfälle sind leider auf der Strecke zwischen Lima und Ecuador nicht selten. Wir nehmen die Warnung ernst und fahren weiter.

Mobiles Zuhause
Unser mobiles Zuhause.

Auch in Bermejo wurden schon mehrere Vans ausgeraubt, dennoch fahren wir dort hin. Eine wunderschöne Left, ganz für uns allein. Wir fahren als Erstes zu einer Hacienda, die zufälligerweise den Namen «Hacienda Suiça» trägt. Jedoch ist niemand zuhause. Nur der Landhüter mit seinem Hund. Er sagt uns, dass wir nicht hierbleiben können, aber zu den Fischern fahren sollen. Dort ist es sicher. Ansonsten sollen wir ihn rufen. Mit Handzeichen gibt er uns zu verstehen, dass er eine Pistole habe. Also fahren wir zu den Hütten und plaudern mit einem der Fischer. Sie schlafen in Blechhütten, welche sie nur nutzen, wenn die Bedingungen gut sind zum Fischen. Ansonsten wohnen sie im Dorf. Sie laden uns ein, bei ihnen in der Nähe zu campen. Es sei sicherer. Als wir mit den ersten Sonnenstrahlen aufwachen, sind die Fischer schon am Netze auswerfen. Der Nebel liegt noch tief, doch die Welle bricht perfekt. Heute ist sie eher klein. Wenn mehr Swell kommt, bricht sie weiter draussen und barrelt. Für uns ist es also eher ein gemütlicher Anfang. Aber was für einer! Die Welle nur für uns und auch wenn klein, ist sie lange, im Vergleich zu den uns gewohnten europäischen Beachbreaks.

Handyempfang gibt es in Bermejo keinen und leider geht unser Gas aus. Auf dem Weg zur nächsten Gas-Tankstelle fällt uns auf, dass diese viel weiter von Bermejo weg ist als gedacht. So fahren wir weiter nach Norden, ohne – wie ursprünglich geplant – nach Bermejo zurückzukehren, obwohl es uns dort sehr gefallen hat.

Was in Salaverry passierte
Nach ein paar Tagen erreichen wir Trujillo. Eine Millionenstadt, wo wir endlich auch unseren zweiten Gastank auffüllen können. Denn mit Gas zu fahren, ist in Peru einiges günstiger. Hier kaufen wir auch die letzten Kleinigkeiten, welche wir für unser Zuhause auf Rollen brauchen. Unterwegs hat es nicht wirklich nennenswerte Surfspots, aber von Huanchaco versprechen wir uns viel. Das kleine Surfstädtchen liegt 15 Minuten entfernt von Trujillo und soll sehr konstante Wellen haben. Und die hat es auch! Wir surfen am nächsten Morgen lange Lefts und entscheiden uns am Nachmittag in Trujillo, einen Skatepark auszuprobieren. Dort treffen wir Alfonso, der uns einlädt mit ihm und seinen Freunden am nächsten Tag Salaverry zu surfen. Auch ein Städtchen, das 20 Minuten von Trujillo entfernt ist. Als wir am nächsten Morgen in die Führerkabine steigen, wissen wir nicht, dass an diesem Tag unsere Reise eine ganz drastische Wendung nehmen sollte.

Angekommen in Salaverry, parkieren wir unseren Camper und nehmen unsere Neos hervor. Der Himmel ist grau wie immer, doch es haben sich zusätzlich schwarze Wolken dazugesellt. Mit dem ersten Bein schon im Neo, kreuzen fünf Typen mit irgendwelchen, offiziell aussehenden Westen auf. Sie sagen uns, dass sie von der SUNAT (Zollbehörde Perus) seien und unsere Fahrzeugpapiere überprüfen müssen. Gar kein Problem, denken wir, denn wir hatten einen ganzen Tag in Lima im Büro der SUNAT und der SOAT verbracht. Mein Freund schickt mich mit Alfonso ins Wasser. Er und Christian, ein anderer peruanischer Freund, würden warten, bis die Herren die Papiere überprüft haben. Wir denken, das sei eine kleine Sache. Wir hätten ja alles richtig gemacht.

Die Wellen sind chaotisch und machen oft zu. Die dunklen Wolken zeichnen sich im Wasser ab und widerspiegeln meine steigenden Sorgen, als mein Freund nicht und nicht kommt. Irgendwann gehen wir raus, nach einer ziemlich schlechten Session. Christian wartet dort, wo unser Auto hätte sein sollen und sagt uns, dass mein Freund den Typen zum SUNAT-Parkplatz folgen musste. Mein Spanisch war damals alles andere als gut. Ich verstehe aber «mierda» und weiss, etwas ist gar nicht gut.

Long story short: Die Zollbehörde konfisziert unseren Camper, weil der Verkäufer gleich mehrere Fehler gemacht hatte bei der Ein-/Ausreise mit dem Camper und dem Verkauf. Nicht unsere Schuld, wir stehen nun aber ohne Zuhause da. Nach fünf Stunden Diskussion in gebrochenem Spanisch, Anrufen bei der Schweizer Botschaft, bei Eltern (weil die wissen ja bekanntlich alles) und Anwälten, nach Tränen vergiessen und Wutausbrüchen, nach unendlichen Fragen gen Himmel «Warum?» und nach Akzeptieren des Schicksals müssen wir schliesslich das SUNAT-Gebäude verlassen und uns wohl oder übel eine Bleibe suchen. Es ist schon fünf Uhr nachmittags. Immerhin hat die SUNAT eingewilligt, dass wir erst am nächsten Tag unsere Sachen aus dem Camper räumen müssen. Wie geschlagene Hunde laufen wir also durch Huanchaco, weil wir nicht in Salaverry bleiben wollen, bis wir ein Schild mit der Aufschrift «Habitaciónes» sehen und an die Tür klopfen.

Habitacion in Huanchaco
Der Garten unseres temporären Zuhause in Huanchaco. Gleich hinter den Surfboards ist unser Zimmer.

Huanchaco
Wir haben Glück im Unglück und finden ein grosses Haus mit diversen anderen Mitbewohnern aus Argentinien, Deutschland, Venezuela und Peru. Die Landlady gibt uns den Siebnerdorm mit Doppelbett für einen Spottpreis und einen grossen Garten mit zwei Katzen hat es auch noch. Wir richten uns also ein und machen uns gefasst auf einen langen Rechtsstreit mit der härtesten, einzigen nicht bestechlichen Instanz von Peru.

In den nächsten Tagen wird uns bewusst, dass wir froh sein können, genau hier aufgehalten worden zu sein und nicht erst an der Grenze. Denn die Grenze nach Ecuador ist nicht gerade schön. Und so gute Wellen wie in Huanchaco gibt es dort auch nicht. Wir trösten uns also mit den guten Wellen vor unserer temporären Haustüre.

Caballito de totoras
Huanchacos berühmte Caballito de Totoras. Wenn ihr mehr erfahren wollt klickt hier.

Wie so ziemlich jeder Surfspot in Peru hat Huanchaco eine starke Strömung. Dies ist vor allem auf die Humbolt-Strömung zurückzuführen. Deshalb ist übrigens auch das Wasser kalt. Einerseits ist eine starke Strömung natürlich nervig, weil es praktisch unmöglich ist, am Peak zu bleiben. Andererseits eröffnet sie dir in Huanchaco die Möglichkeit, alle Peaks in einer Session zu surfen. Wir haben das Glück, am Anfang des Städtchens und somit beim Anfang der Welle zu wohnen. Wir gehen also vor der Haustüre ins Wasser und surfen bis zum anderen Ende des Städtchens. Je eine Welle von Peak zu Peak. Zum Teil gibt es natürlich Peaks, die besser funktionieren als andere. Bei diesen schafft man es auch, mehrere Wellen zu kriegen. Je nach Swell verbinden sich die Peaks dann auch und die Wellen werden wunderschön lang. Jeder Peak trägt natürlich auch seinen Namen und Erkennungszeichen, damit man ihn im Wasser zuordnen kann. Zwischen Mai und Oktober, was übrigens die Surf-Hochsaison in Peru ist, funktioniert Elio, auch Costagas genannt, am besten. An kleinen Tagen surfen die meisten die Rights von El Boqueron. Dieser Peak hat jedoch einen fiesen Shorebreak. Wenn man Glück hat mit der Strömung, kann man bei Sunkela auch eine Right erwischen. Für Anfänger gibt es gleich hinter dem Pier eine Bucht, wo die Wellen langsam und soft brechen. Es hat also für alle was. Was auch jeden anlockt: ein richtiges Backpacker-Surfer-Städtchen. Jedoch surfen bei weitem nicht alle. Viele versuchen es zum ersten Mal oder sind einfach Hippies, die Musik machen und Bändeli knüpfen. Fast jeden Abend ist was los. Es gibt Karaoke, Salsa-Abende und Partys. Im Club kann man Super Mario zocken, weshalb wir auch oft hingehen, wenn wir keine Lust auf Party haben.

Huanchaco in Nebel
Huanchaco umringt in nebliger Pracht.

Wir bleiben lange in Huanchaco. Länger als wir dachten. Wahrscheinlich länger als gut war. Doch wir haben Hoffnung für unser Auto und wie das halt so ist in Peru; der Besprechungstermin mit jeglichen involvierten Instanzen verschiebt sich mindestens fünf Mal. Wir bleiben also. Und ich kann es fast nicht glauben, aber in diesen zwei Monaten war es kein einziges Mal flat! Es hat immer etwas zum Surfen! Dennoch oder eben genau deshalb passen wir uns mit der Zeit den Einheimischen an. Localism existiert in Peru übrigens fast nicht. Anscheinend soll es in Mancora ein paar Idioten geben. Ansonsten wird man im Wasser eher angefeuert als doof angemacht. Anfangs gehen wir mindestens zweimal am Tag surfen, stehen früh auf und machen immer ein schönes, langes Warm-up. Immer mehr finden wir es auch frühmorgens eher etwas zu kalt. Vor allem auch wenn die Sonne nicht scheint. Wenn man einen Local fragt, wenn er denn ins Wasser gehe, ist die Antwort IMMER 4:20pm! Und dies nicht wegen dem Joint vor der Session, sondern weil um diese Tageszeit meist die Sonne durch den Nebel drückt. Ganz mitreissen lassen wir uns dann aber doch nicht. Denn was wir an Huanchaco auch sehr schätzen, sind die wenigen Leute im Wasser. Wirklich crowded wird es nur, wenn es sonnig ist. Egal wie die Wellen sind. Die Sonne wird hoch geschätzt in Huanchaco. Nach so langer Zeit in dem Städtchen verstehe ich aber auch wieso. Der ewige Winternebel beginnt langsam, auf unsere Stimmung zu drücken. Also machen wir Kurztrips, um ihm zu entkommen.

Chicama
Sobald ein grosser Swell angekündigt wird, reden alle in Huachacho nur noch von Chicama. Die längste Left der Welt. Bis zu vier Kilometer pure Happiness. Sie funktioniert nur bei viel und grossem Swell, deshalb ist das kleine Städtchen dann voll und ansonsten leer. In Huanchaco versuchen sie dir, einen eher teuren Trip anzudrehen. Mit dem Bus ist Chicama aber kein Problem zu erreichen und kostet auch nur einen Zehntel. In etwa 1 ½ Stunden ist man da. Bei grossem Swell am Wochenende sollte man ein Hostel vorbuchen, denn dann ist meist alles fully booked! Hört sich nach einer sehr gecrowdeten Welle an. Es geht aber, denn sie ist so lange! Eine Vierkilometerwelle zu erwischen ist schwierig, deshalb gibt es auch mehrere Peaks, an denen man dann einfach noch eine Welle nimmt. Aber keine Angst, die Beine brennen auch nach einem Kilometer. Man kann für peruanische Verhältnisse viel Geld ausgeben, indem man ein Boot für drei Stunden bucht, das einem immer wieder an den äussersten Peak fährt. Es ist aber gar kein Problem zu laufen, was einem auch eine kleine Erholungs- und Reflektionszeit gibt. Ich weiss auch von keinem, der ganze drei Stunden surfte, es geht echt in die Beine!

Die Strömung ist schlimm! Sobald man an den Peak paddelt, muss man eine Welle nehmen, ansonsten treibt es einem ab. Zurückpaddeln bringt nichts, unmöglich, dann gehst du lieber einfach an den nächsten Peak. Die Wellen am äusserten Punkt sind natürlich am grössten, kraftvollsten und connecten auch am besten. Wenn man Pech hat, lädt ein Boot seine Surfer genau dann aus, wenn du rausgepaddelt bist. Das kann man jedoch verhindern, wenn man die Arbeitszeiten der Bootsfahrer*innen beachtet, heisst: frühmorgens und frühnachmittags rausgehen lohnt sich. In Chicama surfen wir mit Abstand unsere längsten Wellen. Jegliche Surfer von Australien, Peru, USA und so weiter bestätigen uns auch, dass sie die längste Welle hier in Chicama gesurft hätten.

So ging’s weiter
Es verschlägt uns zwei Mal nach Chicama. Beide Male wollen wir danach nach Pacasmayo, eine fast so lange Welle in der Nähe von Chicama, welche jedoch mehr Swell abbekommt. Aber der Swell und die guten Wellen halten jedes Mal an in Chicama und wir bleiben. Denn «only a fool turns his back on pumping waves».

Einen Kurztrip machen wir mit zwei Freunden und einem Mietauto in die Berge nach Huaraz. Ein unglaublich schöner Nationalpark mit hunderten blauen Seen, Gletschern und 5000-7000er-Gipfel. Die Peruaner nennen es «Little Switzerland», auch wenn alles viel höher, grösser und mehr ist als in unseren Bergen. Einen weiteren Trip machen wir mit dem Bus nach Lobitos. Wieder wollen wir noch einen Spot anhängen; Mancora. Alle schwärmen von Mancora, weil das Wasser wärmer ist, die Sonne öfters scheint und es Party gibt. Wir wollen hauptsächlich in die Sonne, finden sie dann aber schon in Lobitos mitsamt genialen Wellen.

Alles über Lobitos erfährt ihr im WaveupMag, das im Dezember 2019 erscheint! Unser Auto haben wir übrigens noch immer nicht. Dies hält uns jedoch nicht vom Reisen ab. Wir sind aus Huanchaco raus und jagen gerade in Brasilien Wellen und Skateparks.