Von Itacaré bis Regençia: Florence nimmt uns mit auf ihre Erlebnisse in Brasilien. Sie und ihr Freund sind stets auf der Suche nach den besten Wellen.

Wie im Bilderbuch


Für JP waren die paar Tage Stadt zu viel und er will direkt an den Strand. Für mich kein Problem, also gehts nach Itacaré, ein vielversprechendes Surfer-Städtchen. Leider werde ich auf der etwa 10-stündigen Busfahrt, wahrscheinlich wegen dem AC, krank und liege eine Woche lang flach.

Bloss zweimal nehme ich den 10-minütigen Fussmarsch zu den Stränden auf mich. Wie eine Oma schleiche ich in dem schön hergerichteten Dörfchen herum und ernähre mich dankbar von den vielen Früchten und Cracker. Mein Freund JP erkundet derweilen die verschiedenen Strände Itacarés, welche entweder zu Fuss oder mit einem Bus zu erreichen sind. Als es mir endlich besser geht, zeigt er mir als erstes «Engenhoca».

Der Strand ist etwa 10 Busminuten und einen 15-minütigen Fussmarsch durch den Dschungel von Itacaré entfernt. Am Anfang des Strandes hat es ein paar Hüttchen, die Drinks und Essen anbieten, ansonsten präsentiert sich der weisse Sand und die Palmen fast menschenleer vor uns. Der Spot ist ein seltener linker Pointbreak. Heute läuft er aber und ich bin so happy, im Bikini zu surfen und nicht mehr im Bett zu liegen. Vom Wasser aus hat man eine gute Sicht auf die verlassenen und unfertigen Hotelanlagen auf dem Hügel. Sie sind so überwachsen und im Rohbau, dass sie nicht stören, sondern dem Strand einen besonderen Touch verleihen. Es wäre ein wunderschöner Ort, um sich niederzulassen. Wir sind natürlich ganz egoistisch froh, dass es für das Hotel nicht klappte.

Indiana Jones auf Brasilianisch


Schon während ich krank war, hörten wir viel über den Nationalpark Chapada Diamantina, welcher ganz in der Nähe sei. Oder zumindest der einzige, der auf unserer Route einigermassen in der Nähe ist. Zwar heisst es, fast ganz zurück nach Salvador zu fahren und von dort nochmals einen Bus zu nehmen, doch wir entscheiden uns dann schliesslich es zu machen. Nach ein, zwei Surfs und als ich mich besser fühle, brechen wir also auf ins Inland. Die Surfboards können wir im Hostel lassen, wir müssen also zurückkommen. Aber gut so, denn ich bin noch nicht fertig mit Itacaré!

In Lençois angekommen unternehmen wir zuerst Tagesausflüge zu Grotten, Wasserfällen und natürlichen Wasserrutschen. Danach kaufen wir uns gleich eine Karte des Parks, denn wir wollen auf eigene Faust ein paar Tage los. Wir merken dann aber, dass die Unterkünfte im Park selbst so teuer sind, dass eine andere Route mit einem Guide günstiger kommt. Wir ändern in letzter Sekunde unsere Pläne und brechen schliesslich früh morgens mit Gustavo zu einem dreitägigen Trek nach Vale do Capão auf. Der Nationalpark hat seinen Namen von den damaligen Diamantenabbau und zieht nun viele Touristen mit seiner wilden Schönheit an.

Unser Gepäck: 2 T-Shirts, Badeanzug und Essen für 4 Tage (man weiss ja nie). Gustavo trägt etwa das dreifache, weigert sich aber uns was abzugeben. Zusätzlich hat er eine Machete an einem richtigen Entdeckergürtel, wir sind beeindruckt. Unterwegs erzählt er von verlorenen und verdurstenden Touristen und wir sind froh, dass wir ihn haben, denn wir erkennen den Weg nicht, den er so sicher geht. Wir haben das Gefühl, wir laufen einfach durchs Dickicht. Wasser wird aus dem braunen Fluss getrunken. Ich hätte nie gedacht, dass ich diese Wasserreinigungstabletten mal brauchen werde! Wir übernachten in Schlafsäcken, einmal an einem Flussufer und einmal in einer Höhle, von welcher aus man auf den zweithöchsten Wasserfall Brasiliens sehen kann.

Chapada
Florence fühlte sich Indiana Jones noch nie so nahe.

Am letzten Tag wählt Gustavo eine härtere, aber wunderschöne Route, weil wir ja «fuerte» sind. Neben wenig und schlechtem Schlaf für mich, war es ein unglaublich schönes und wildes Erlebnis, und das alles in Vans, weil wir unsere Wanderschuhe in Peru gelassen hatten.

Wir entscheiden uns dann in Vale do Capão nicht etwa ganz langweilig, den Bus zurück zu nehmen, sondern in zwei Tagen über eine einfachere Touristenroute ohne Guide zurückzulaufen. Unmengen von Blasen an den Füssen, einige unglaubliche Eindrücke und zwei stinkende T-Shirts später sind wir wieder in Lençois. Noch am gleichen Abend geht es zurück nach Itacaré. Wir freuen uns auf eine kleine Erholung nach 10 spannende Tage im Nationalpark.

Zurück im Bilderbuch


Nichts da mit Erholung! So ziemlich am nächsten Tag wollen wir nach «Prainha», einer der Surfstrände, der etwa einen 20-minütigen Fussmarsch von Itacaré entfernt liegt. JP versichert mir, dass der Weg schön gemacht ist, mit weicher Erde. Also ziehen wir nur in Boardshorts und ich im Body los, barfuss. Stellt sich heraus, JP kennt den Weg doch nicht so gut, denn er nimmt eine falsche Abbiegung und wir wandern fast zwei Stunden durch den Dschungel, barfuss. Jedes Mal, wenn wir das Meer erreichen, kommen wir nur an steile Klippen und schmelzen in der Sonne. Meine Füsse erleben einen Nahtod, denn die Blasen an den Füssen sind noch frisch. Eeendlich erreichen wir die Bucht und springen gleich ins Wasser. Wir haben Glück, neben dem Beachbreak läuft auch der kleine linke Pointbreak. Ich geniesse die Abkühlung, die Wellen und das Paradis mit weissem Strand und Palmen.

In den letzten Tagen in Itacaré surfen wir den vom Dörfchen am nächsten liegenden Spot «Tiririca». Der Name kommt von einer bösartigen Pflanze, die sich in deiner Haut festklammert und aus der man sich nur mit Schnittwunden befreien kann. Ich spreche hier aus Erfahrung (Wanderung nach Prainha).

«Tiririca» wird von den meisten gesurft, daher hat es meistens Leute, überfüllt ist es aber nicht wirklich, auch weil es ein Beachbreak ist. Am selben Strand hat es auch eine alte, jedoch noch skatebare Bowl und es gibt Caipirinhas in der Kakaofrucht. Sehr gefährlich. Einer der besten Wellen in Itacaré können wir leider nicht surfen, da sie einen gewaltigen Swell braucht. «Boca de Barra» ist eine lange rechte Welle, die sich vor einem Rivermouth bildet und anscheinend traumhaft sein muss. Naja, next time!

Was macht ihr hier?


Nachdem ich nach meiner Genesung nun auch einige Strände von Itacaré gesurft bin, gehen wir weiter Richtung Süden. Unser Freund Bruno von Floripa hat uns nahe gelegt, Regençia zu besuchen, da sich dort eine mystische, lange Left befinden sollte. Also gehen wir nach Regençia: mit dem Bus nach Linares und von dort entweder ein seltener Bus erwischen oder ein Taxi in das Dörfchen am Meer nehmen. Wie so oft haben wir nichts gebucht und wollen uns vor Ort eine Unterkunft suchen. Jedoch scheint das Dörfchen ausgestorben zu sein. Alles ist zu, bis auf ein Restaurant an der Tankstelle. Unterkünfte, die wir vorher online abgecheckt haben, gibt es gar nicht mehr oder sind verbarrikadiert. Andere Hostelbesitzer kommen nur auf lautes Rufen und Klopfen an die Tür und nennen horrende Preise (für uns zumindest). Wo sind wir hier gelandet?

Schliesslich finden wir ein Hostel, das anscheinend offen ist und vielleicht eine Küche zur Mitbenutzung hat (ein Muss für unseren Budget-Trip). Nach einer kurzen Wartezeit taucht schliesslich die Besitzerin auf, die sich als eine supernette Lady entpuppt und uns ein relativ günstiges, hübsches Zimmer anbietet und sogar einverstanden ist, dass wir die Hotelküche brauchen dürfen. Ihre erste Frage: Was macht ihr hier? Wie habt ihr von Regençia gehört?

Es stellt sich heraus, Regençia läuft nur in der Hochsaison und ist eher eine Sommerferiendestination. Bei ihr im Hotel ist momentan eine Forschungsgruppe von der Uni untergebracht, die Riesenschildkröten beobachtet und untersucht. Die Frage, was wir hier machen, ist für sie eine Freude! Sie wolle gerne mehr Leute auf Regençia aufmerksam machen und bittet uns, ein Video in Schweizerdeutsch aufzunehmen und über unsere Erfahrungen in diesem Örtchen zu berichten. Die anfänglichen Zweifel verfliegen ziemlich schnell. Als erstes gehen wir natürlich surfen! Gleich vor dem nächsten Strandzugang bricht eine schnelle Left. Wir sind allein und die brasilianischen Wellen mittlerweile gewohnt: schnelle Takeoffs, Speed machen und wenn man Glück hat, bleibt die Welle offen. Einige Wellen bleiben offen, aus den meisten machen wir uns aber den Spass, wer hat mehr Close-outs erwischt?  

In den nächsten Tagen surfen wir mehrheitlich denselben Spot. Einmal laufen wir den ganzen Strand Richtung Norden ab, um zu sehen, ob die lange Left vor der Flussmündung läuft. Leider nein. Die wenigen Leute, mit denen wir in Kontakt kommen, erzählen uns, dass das letzte Mal vor 10 Jahren der Sand richtig lag für diese Welle. Sie raten uns alle, zum Observatorium surfen zu gehen. Dieses liegt mit dem Auto etwa 5 bis 10 Minuten ausserhalb des Dörfchens und kümmert sich um verletzte Riesenschildkröten und ihre Eier. Jede Nacht laufen sie den Strand ab und stecken die Nester ab, damit niemand die Eier zertritt. Wir haben einmal das Glück, nach 5 Minuten auf unserem Nachtspaziergang eine Schildkröte beim Eier legen zu beobachten.

Zum Surfen sind dort die besten Sandbänke von Regençia. Auch hier ist es ein schneller Beachbreak, der aber ein bisschen länger offenbleibt. Der Swell trifft genau aufs Wochenende, also hat es einige Leute im Wasser. Wir sind aber in Brasilien und anstatt angeschnauzt zu werden, werden wir zum Grillieren eingeladen.

Regençia bleibt uns vor allem wegen den netten Menschen, den beeindruckenden Riesenschildkröten und wegen JPs gebrochenem Board im Gedächtnis. Am letzten Tag erwischt eine heftige Lip beim Observatorium sein Board und zerbricht es in zwei Teile. Die Wellen sind ohnehin etwas zu close-out-mässig, dafür konnten wir fast immer allein surfen. Mit einer letzten Jam Session und dem versprochenen Video nehmen wir Abschied von unserer Forschungsgruppe und der Hotelbesitzerin und brechen auf in die Stadt aller Städte: Rio de Janeiro.

Wie es mit Florences Geschichte weitergeht, erfährst du im Teil 3 von «Brasilien oder wenn Liebe surfen könnte».

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