«Kann man die auch surfen?», werden die Shaper von Enlain oft gefragt. Nur fünf Minuten von Laax Murschetg entfernt befindet sich die Werkstatt der Künstler. Sie verarbeiten Holz, was das rätoromanische Wort Enlain bereits vermuten lässt.

Was vor fünf Jahren für Ben Chick als Hobby begann, wurde vor zwei Jahren zu einer Firma. Mit seinem Partner Urs Welti werden mittlerweile nicht mehr nur Surfboards hergestellt, sondern auch Snow-, Skate,- Wake- und Kiteboards sowie Ski- und Lifestyle-Produkte.

Urs und Ben im Showroom
Das Künstlerduo. Links Urs und rechts Ben.

Aus Holz
Ben führte mich durch die grosse Werkstatt mit hohen, hellen Räumen. Neben zwei Galerien gibt es auch eine kleine Küche/Stube und ein Showroom. Im Showroom reihen sich alte, neue, unfertige Bretter und Prototypen von Boards aller Sportarten auf. Ausgestellt sind auch Produkte des Design Labs und Enlain Laser Labs. Dazu gehören Lifestyle-Produkte mit gelaserten Musterungen im Holz als auch hölzerne Gitarren aus Baukursen, welche Enlain in Zusammenarbeit mit einem Freund anbieten. Die meisten Enlain Surfboards sind mit aufwendigen Mustern geschmückt. Diese werden teils von Hand, teils mit Laser ausgeschnitten und mit einer millimeterdünnen Schicht Holz auf das Board eingearbeitet. Während die Bretter aus hellem Holz bestehen, sind die Muster meist aus dunklem Holz wie Akazie oder Nussbaum. Auf Wunsch können die Shaper auch Metalle oder Steine einarbeiten, was das Brett dann aber natürlich schwerer macht.

Gitarren aus Holz von Enlain
Hölzerne Gitarren von Enlain.

Ben und Urs ist es wichtig, möglichst natürlich und nachhaltig zu produzieren. Für die Boards benutzen sie Paulownien-Holz, welches aussergewöhnlich leicht ist. Es stammt von einem Baum, welcher in China heimisch ist, aber in Europa gezüchtet wird. Die Bäume wachsen sehr schnell nach. Enlain bezieht das unbearbeitete Edel-Holz direkt und exklusiv von der Plantage ihres Partners «Treeme». Für die Rails benutzen sie meistens das noch weichere Holz Balsa. Da nicht ein Stringer, sondern die Rails das ganze Board halten, eignet sich das leichte Holz bestens. Durch die Kombination der zwei Hölzer wird das Gewicht des Boards auf ein Minimum gehalten und dennoch Stabilität garantiert. Ausserdem ist es kein Problem, Schäden am Holzboard mit Epoxy Solarez zu flicken.

Das Modell Enlain
Ben erklärt mir, dass Enlain eine Slow-Process-Firma ist. Sie wollen auf gar keinen Fall überproduzieren und dadurch Material verschwenden. Aus diesem Grund bauen sie auch nur auf Bestellung. Ihr Ziel ist es, in Surfshops ein Ausstellungsmodell zu haben und dann auf Anfrage zu shapen. Weiter arbeiten sie eng mit Laax zusammen, was gemäss Ben ein perfekter Produktionsplatz ist. Einerseits inspirieren sich Snowboarden und Surfen gegenseitig, der Skiresort pulsiert von jungen Riders. Andererseits ist Laax ein «boiling pot for creativity», wie es Ben ausdrückt. Schlussendlich sind Enlain Boards ja auch Kunstwerke. In verschiedenen Hotels in Laax sind die Enlain Snowboards und Skier ausgestellt. Zusätzlich können Gäste mit Ben und Urs auf die Piste, damit diese dann individuell zum Fahrstil einen Shape vorschlagen und bauen können.

Ben beim Shapen
Ben Chick prüft die Rails.

Da sich nicht jeder ein fertiges, aufwendig verziertes Enlain Surfboard leisten kann, bieten Ben und Urs Shape-Kurse an. Über das ganze Jahr kann man je nach Angebot sein eignes Surfbrett, aber auch Snowboard oder Skier bauen. Der Kurs dauert drei Tage und ermöglicht einem, in einer kleinen Gruppe gut betreut sein eignes Baby nach seinen Vorstellungen zu verwirklichen. Alte Surfhasen werden an die Urzeiten des Surfens erinnert, als noch jeder Surfer sein eigenes Surfbrett aus Holz schnitzte. Damals galt es als Ritual und war unabdingbar für die polynesischen Völker. Mit Hilfe der Erfahrung von Ben und Urs kann man seinen eignen Shape entwickeln oder schon getestete Modelle verwenden. Wenn man in den drei Tagen nicht fertig werden sollte, vollenden die Experten dein Board. Das Glassing wird sowieso von ihnen gemacht. Einerseits wegen den Trocknungszeiten (es kann bis zu einem Monat dauern), andererseits weil der Glassing-Prozess auf Holz sehr genau gemacht werden muss, da sonst jedes Bläschen sichtbar wird.

Die Boards
Ben drückt mir verschiedene Boards in die Hände, um mir ihr Gewicht zu demonstrieren. Ein Holzsurfboard wiegt im Schnitt etwa 1 Kilo mehr als ein Shortboard. Ein High Performance Board aus Holz wird es also wahrscheinlich nie geben. Enlain verkörpert aber auch nicht das Wettkampf-Surfen, sondern das Soul Surfen aus den Siebzigern. Ein Surfboard aus Holz wird mit Gefühl und von Auge gemacht. Holz reagiert an jeder Stelle anders auf Druck und ist nicht so uniform wie Foam. Rocker und Concave sind bei Holzsurfboards durchaus möglich, brauchen einfach mehr Zeit, um geshapet zu werden. Dies macht, neben der einzigartigen Holzmusterung, jedes Board zu einem Unikat.  

Zwei unterschiedliche Surfboards
Jedes Board ist ein Unikat.

Was die Shaper an der Arbeit mit Holz besonders schätzen, ist, dass natürliche Materialien geschliffen werden, was Schutzmasken fast überflüssig macht. Die Luft in der Werkstatt ist rein. Es wird nicht mit giftigen Materialen gearbeitet. Es braucht keinen kleinen, abgeschotteten Schleifraum, wie das in vielen Shaperwerkstätten der Fall ist. Die einzigen industriellen Materialien sind die Glasfasern, die Finplug, Ventile und der Kleber. In Zukunft wollen Ben und Urs selbst Finplugs und Ventile herstellen. Beim Glassing achten sie auf nachhaltige Fasern wie zum Beispiel Flachs.

To be continued
Ben zeigt mir in der Werkstatt alte Boards, welche als Lampe oder Wandschmuck wiederverwendet wurden. Ihm und Urs ist es wichtig, die Nachhaltigkeit immer voranzutreiben, bessere Materialien zu finden und alte Boards nicht einfach wegzuschmeissen. Sein erstes, selbst geshaptes Board wirft wohl niemand weg und vor allem in der landlocked Schweiz haben wir das Bedürfnis, unsere Babys nicht in der Garage zu verstauen, sondern im Eigenheim auszustellen. Wer bei Enlain ein Surfboard baut, hat die Möglichkeit, es mit ihnen in ihrem Surfcamp (zum Beispiel in Cornwall) auszuprobieren. In Zukunft soll an der Küste Europas sogar ein Enlain Surfhouse aufgebaut werden. Ja, man kann sie also surfen, diese hölzernen Kunstwerke. Und ich, ich lasse die Möglichkeit nicht aus, mir selbst eins zu bauen! Dazu später dann mehr.